05.10.2022 / Lesezeit: 5 Minuten
„Damit 2030 Wasserstoff in Baden-Württemberg verfügbar ist, müssen wir jetzt geschlossen handeln“, erklärt Katrin Flinspach, Geschäftsführerin der terranets bw.
Die Fernleitungsnetzbetreiberin mit einem Gastransportnetz von mehr als 2.700 Kilometern in Baden-Württemberg und Hessen setzt sich für eine leitungsgebundene Anbindung mit Wasserstoff ein. Um die Unabhängigkeit von Gas zu stärken und einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Klimaziele des Landes Baden-Württemberg zu leisten, bereitet terranets bw nun die Umstellung des Transportnetzes auf Wasserstoff ab 2030 vor.
Zuvor war die Umstellung bis spätestens 2035 vorgesehen. Die beschleunigte Umstellung ist eine Herausforderung, die nur gemeinsam mit anderen Akteuren bewältigt werden kann. Deshalb hat terranets bw 2021 mit der Initiative „H2 für BW“ eine Plattform geschaffen, um ihre eigenen Planungen allen Akteuren transparent darzustellen und die Gastransportnetzbetreiber mit Vertretern aus der Politik, Industrie und Gesellschaft zu vernetzen.
Frau Flinspach, wofür steht Ihre Initiative „H2 für BW“?
Bis 2040 möchte Baden-Württemberg klimaneutral werden, dafür braucht es Wasserstoff. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die im August 2022 gegründete Wasserstoff-Allianz zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Das gibt uns Rückenwind für unser Vorhaben. Mit der Initiative „Wasserstoff für Baden-Württemberg“ schaffen wir eine Plattform, auf der kontinuierlich Bedarfe an Wasserstoff gemeldet werden können. Darüber hinaus zeigen wir den Plan der deutschen Gastransportnetzbetreiber für ein nationales Wasserstoffnetz, um schrittweise eine bundesweite Versorgung sicherzustellen. Das Ziel ist groß. Erreichen können wir es nur gemeinsam: Versorgungssicher, klimaneutral und sektorenkoppelnd wird Wasserstoff schon mittelfristig zur entscheidenden Säule im Energiesystem der Zukunft. Dafür braucht es schon heute entschlossenes Handeln – von uns allen.
An welchen Stellen setzt die Initiative an?
Den Kern der Initiative bilden sowohl der Aufbau eines überregionalen H2-Netzwerkes als auch eine zugehörige Website zur transparenten Darstellung unserer Planungen und Aktivitäten. Begleitet durch eine Vielzahl von Vorträgen, Workshops und Hintergrundgesprächen schaffen wir unter dem Dach unserer Initiative so eine breite öffentliche Wahrnehmung, um den Wasserstoff-Markthochlauf nach Kräften zu unterstützen. Durch die transparente Darstellung unserer Infrastruktur-Vorhaben schaffen wir zudem Planbarkeit für potentielle Abnehmer, vorgelagerte Netzbetreiber und potentielle Erzeuger.
Erreicht Sie schon eine erhöhte Nachfrage nach Wasserstoff?
Ja. Wir haben eine Marktabfrage durchgeführt, die ebenso wie verschiedene Studien zeigt, dass ab Anfang der 2030er Jahre ein signifikanter Wasserstoffbedarf entsteht – und zwar über alle Sektoren hinweg. Neben Effizienzmaßnahmen und dem Ausbau erneuerbarer Energien wird Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen. Die Basis der Abfrage bilden Bedarfsmeldungen von Verteilnetzbetreibern, Stadtwerken, Kraftwerken und Unternehmen aus ganz Baden-Württemberg. Realisieren lassen sich unsere ausgereiften Planungen für eine frühzeitige und sichere Wasserstoff-Versorgung Baden-Württembergs nur gemeinsam mit allen Akteuren: Es braucht verbindliche Bedarfe, entsprechende Erzeugungskapazitäten und einen angemessenen regulatorischen Rahmen. Um diese Hürden zu überwinden, haben wir die Initiative „Wasserstoff für Baden-Württemberg“ ins Leben gerufen.
Neben den künftigen Bedarfen spricht „H2 für BW“ auch über die Infrastruktur.
Damit Baden-Württemberg bis 2040 klimaneutral wird, müssen wir so früh wie möglich die notwendige Infrastruktur schaffen. Wir zeigen das Wasserstoffnetz 2050, das die deutschen Gastransportnetzbetreiber entwickelt haben, um bis 2050 eine bundesweite Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen. Bei Betrachtung des Wasserstoffnetzes lässt sich schnell erkennen, dass wir noch weitere Landesteile anbinden müssen. In Bezug auf Wasserstoff dürfen wir den Anschluss nicht verlieren, sondern müssen jetzt alle notwendigen Vorkehrungen treffen.
Können Sie das konkretisieren?
Den Kern bilden vorhandene Gasleitungen, die künftig Wasserstoff transportieren. So lässt sich Neubau auf ein Minimum begrenzen und die Umstellung schnell realisieren. Mit dem Ausbau der SEL werden wir dabei wichtige Lücken schließen können. Die SEL (Süddeutsche Erdgasleitung) von Hessen über Heidelberg und Esslingen am Neckar bis nach Bayern ist bereits heute „wasserstoff-ready“ geplant und wird in Zukunft Wasserstoff nach Baden-Württemberg bringen. Sie wird zunächst Erdgas in die Region transportieren, mittel- und langfristig ist sie jedoch für den Transport von Wasserstoff vorgesehen. Sie ist damit ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung in unserer Region und kann als Multitalent die Brücke von konventionellen zu Erneuerbaren Energien bilden: Denn neben den erneuerbaren Energien brauchen wir auch künftig Gase, um die sogenannte Dunkelflaute abzusichern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Vorübergehend wird das noch Erdgas sein, mittelfristig Wasserstoff. Er wird nicht nur in Kraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt werden, sondern auch in der Industrie, im Verkehrssektor und im Wärmemarkt.
Erst der Umstieg auf CO₂-neutralen Wasserstoff reduziert die Emissionen um 100 Prozent. Das ist das Ziel – und die SEL ist in Baden-Württemberg der Wegbereiter dafür.
Wann wird erstmals Wasserstoff durch Leitungen von terranets bw fließen?
Durch den Angriffskrieg auf die Ukraine haben wir unsere Anstrengungen für einen möglichst schnellen Umstieg auf Wasserstoff weiter intensiviert. Wir machen Tempo bei der Umstellung und setzen uns dafür ein, für Baden-Württemberg eine leitungsgebundene Anbindung für Wasserstoff ab 2030 zu realisieren. Dann soll die SEL Wasserstoff in die Region Rhein-Neckar und den Großraum Stuttgart bringen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Flinspach.
Weitere Informationen zur Initiative „Wasserstoff für Baden-Württemberg“ der terranets bw unter:
www.h2-fuer-bw.de