„Der direkte Austausch mit Betroffenen ist für uns wertvoll“

25.09.2024 / Lesezeit: 3 Minuten

 

Urs Kipper erklärt im Interview den Erwerb der Wege- und Leitungsrechte für die SEL

Urs Kipper ist Ansprechperson für Wege- und Leitungsrechte bei terranets bw. Seit 2021 ist er dafür zuständig, Leitungsrechte bei Neubauprojekten zu vereinbaren. Im Interview spricht er über den Unterschied zwischen Wege- und Leitungsrecht und erläutert, welche Rolle der Austausch mit den Betroffenen bei der Planung der SEL spielt.

Herr Kipper, was sind Ihre Aufgaben entlang der 250 km langen Süddeutschen Erdgasleitung?

Ich bin hauptsächlich dafür zuständig, die rechtliche Sicherung der Leitung zu gewährleisten. Gemeinsam mit meinem Team betreue ich den Erwerb der Wege- und Leitungsrechte für die Vorarbeiten, den Bau und den Betrieb der SEL.

Worin liegt der Unterschied zwischen Wegerecht und Leitungsrecht?

Ein Wegerecht und ein Leitungsrecht haben zunächst eine Gemeinsamkeit: Beide berechtigen, ein fremdes Grundstück zu nutzen. Das Wegerecht berechtigt allgemein dazu, ein fremdes Grundstück zu betreten und zu befahren. Dazu zählt das Betretungs- und Befahrungsrecht bei bauvorbereitenden Maßnahmen oder bei der Wiederherstellung der Flächen. Bauvorbereitende Maßnahmen sind zum Beispiel Bodenuntersuchungen, archäologische Ausgrabungen, Gehölzeinschlag und das Einrichten von Rohrlagerplätzen.

Das Leitungsrecht hingegen berechtigt allgemein dazu, ein fremdes Grundstück zur Verlegung einer Leitung zu nutzen. Dieses muss terranets bw bei den Eigentümer:innen mittels einer Dienstbarkeit einholen, um die SEL auf deren Flächen bauen und dauerhaft sicher betreiben zu können. 

Die Eigentümer:innen bzw. Bewirtschafter:innen der in Anspruch genommenen Flächen werden entschädigt.

Das heißt, Sie sichern das Leitungsrecht mit einer sogenannten Dienstbarkeit – können Sie erklären, was das ist?

Eine Dienstbarkeit ist ein Nutzungsrecht an einem fremden Grundstück. Hat terranets bw das Nutzungsrecht erworben, darf das Unternehmen das Grundstück nutzen, ohne es zu besitzen. Eine Dienstbarkeit kann bei einer Transportleitung für Erdgas und Wasserstoff wie der SEL gesichert werden, aber auch in anderen Bereichen. Die Dienstbarkeit einer Fläche, auf der eine Umweltschutzmaßnahme umgesetzt wird, stellt zum Beispiel sicher, dass diese nicht wieder beseitigt werden kann.

Haben Sie schon einmal erlebt, dass es zu keiner Einigung kommt? Was passiert dann?

Es kommt vor, dass Eigentümer:innen oder Bewirtschafter:innen nicht mit dem Bau oder der Inanspruchnahme des Grundstücks einverstanden ist. Dies hat sehr unterschiedliche Gründe, kommt aber nur sehr selten vor. Gelingt es uns in diesen wenigen Fällen nicht, eine Einigung zu erzielen, haben wir durch den Planfeststellungsbeschluss die Möglichkeit, das Grundstück dennoch zu nutzen. Auch dann wird der Eingriff selbstverständlich entschädigt. Das ist für uns aber das allerletzte Mittel, denn wir möchten immer gemeinsame Lösungen mit den Betroffenen finden.

Wie erleben Sie den Austausch mit den betroffenen Eigentümer:innen bzw. Bewirtschafter:innen? 

Den bisherigen Austausch mit den Betroffenen erlebe ich konstruktiv und auf Augenhöhe. Ich habe den Eindruck, dass viele hinter der Notwendigkeit der Energiewende stehen. Dieses gemeinsame Verständnis ist eine gute Grundlage für ein konstruktives Miteinander. Auch wenn das Projekt im öffentlichen Interesse liegt, berücksichtigen wir – wo möglich – auch individuelle Bedürfnisse. Wir wollen gemeinsam die beste Lösung für alle Beteiligten finden. 

Welche Situation hat Ihnen besonders deutlich gemacht, wie wichtig der Austausch beim Bau von Infrastrukturprojekten ist?

Bei den Infomärkten vor Ort kommen die Leute direkt auf uns zu. Da gibt es immer wieder Situationen, die zeigen, wie wertvoll unsere Arbeit vor Ort ist. In Erinnerung geblieben ist mir ein Gespräch auf einem Infomarkt: Ein Ehepaar, Besitzer eines Schrebergartens, hatte Sorge, dass wir mit dem Bau der SEL ihren Schrebergarten zerstören und danach „verbrannte Erde“ hinterlassen. Durch den Austausch konnten wir auf dem Infomarkt die Entschädigungsmodalitäten erläutern. Eine wichtige Information für das Ehepaar war, dass das Gartengrundstück gutachterlich bewertet wird und nach dem Bau der Maßnahme wieder hergestellt wird. Diese Informationen haben die Eigentümer beruhigt und wir konnten mit einem sehr positiven Gefühl auseinander gehen. 

Aber auch wir bekommen durch den direkten Austausch zusätzliche wichtige Hinweise aus erster Hand – auch für die technische Umsetzung. Daher sind wir über einen regen Austausch immer sehr glücklich!

Wann rechnen Sie mit dem Abschluss des Wegerechtserwerbs für die SEL?

Der Bau der SEL erfolgt abschnittsweise, dementsprechend unterschiedlich sind die Projektphasen. Bis zum Baubeginn auf dem jeweiligen Abschnitt müssen alle erforderlichen Einigungen vorliegen. Bis dahin haben wir – neben dem Abschluss der Vereinbarungen – immer wieder Kontakt mit den Betroffenen: für die Voruntersuchungen des Bodens, für Bauvorbereitungen wie Kampfmittelsondierungen und das Anlegen von temporären Ausgleichsflächen. 

Herr Kipper, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

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