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„Ich finde es schön, wenn Menschen interessiert sind und nachfragen“

16.03.2023 / Lesezeit: 8 Minuten

Marcel Wiech leitet die Baugrunderkundungen der SEL an. Im Interview erklärt er seine Arbeit und worauf es ihm im Austausch mit Flächeneigentümer:innen ankommt.
 

Herr Wiech, was ist Ihre Aufgabe im Projekt?
Ich arbeite für die Firma CDM Smith, ein Ingenieurunternehmen, das deutschland- und weltweit in verschiedenen Bereichen tätig ist. Mein Aufgabenschwerpunkt liegt im Bereich Infrastruktur und Geotechnik. Darüber hinaus ist CDM Smith auch noch in den Bereichen Umwelt, Wasser, Bauwerk und Energie tätig. Man kann fast sagen Ingenieurleistungen jeglicher Art. Für terranets bw bin ich als Projektleiter für die Baugrunderkundungen zuständig.

Was ist eine Baugrunduntersuchung? 
Eine Baugrunduntersuchung befasst sich mit dem für das jeweilige Bauprojekt relevanten Bereich des Untergrundes, dem sogenannten „Baugrund“. Bevor ein Bauprojekt wie die Süddeutsche Erdgasleitung realisiert wird, ist es wichtig zu wissen wie die Böden und Festgesteine beschaffen sind und welche Grundwasserverhältnisse vorherrschen, damit in der Planungs- und Bauphase geeignete Maßnahmen ergriffen werden können. Dazu werden draußen im Feld Bohrungen durchgeführt, um Proben für Laboruntersuchungen zu entnehmen. Diese werten wir dann aus und schreiben ein Gutachten. Mithilfe dieser Ergebnisse können Risiken minimiert und Kosten eingespart werden. Ergänzend dazu erfassen wir auch bodenkundliche Grundlagen im Feld, um die natürlichen Bodenfunktionen während des Baus mit geeigneten Maßnahmen zu schützen. Der Bodenschutz ist von großer Bedeutung – mit den erhobenen Daten können wir die Flächen nach Abschluss der Bauarbeiten wieder in gleicher Qualität für die Bewirtschaftung herrichten. 

Das heißt, Sie arbeiten auch mit Laboren zusammen? 
Genau. Wir machen draußen Bohrungen größeren und kleineren Durchmessers, aus denen Bodenproben entnommen werden. Hier haben wir verschiedene Erkundungsziele. Wir untersuchen die boden- und felsmechanischen Eigenschaften in Vorbereitung auf die anstehenden Bautätigkeiten, aber auch die chemische Zusammensetzung der Böden, um mögliche Schadstoffbelastungen feststellen zu können. 

Was für Schadstoffbelastungen sind das zum Beispiel?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich kann man zwischen geogenen und anthropogenen Belastungen unterscheiden. Geogene Belastungen treten aufgrund von natürlichen Prozessen in den Gesteinsschichten der Böden auf, zum Beispiel durch erhöhte Schwermetallgehalte. Die anderen Belastungen sind menschengemacht wie etwa ehemalige, zwischenzeitlich mit Bauschutt oder Hausmüll verfüllte Steinbrüche, wie wir sie teilweise auf der SEL vorfinden. Das können aber auch Belastungen aus der Mineralölverarbeitung sein, wenn beispielsweise Kraftstoffe in den Boden gesickert sind.

Welche Einflüsse können die Laborergebnisse auf die Bauausführung haben?
Das ist auch wieder zweigeteilt zu beantworten: Boden- oder felsmechanische Eigenschaften des Baugrundes wie die Festigkeit beeinflussen z.B. das Verschleißpotenzial der Werkzeuge während des Baus. Die chemische Zusammensetzung wiederum hat vor allem Einfluss auf den Umgang mit dem Boden. So eignet sich der Boden bei hoher Schadstoffbelastung nicht zum Wiedereinbau und muss auf eine Deponie gebracht werden. Wir sprechen also bei Baugrunduntersuchungen bzw. der Bewertung des Baugrundes meist über das Wie, nicht über das Ob.

Werden wir konkret: Mit welchen Besonderheiten haben wir es beispielsweise bei der SEL im Abschnitt von Mannheim bis Hüffenhardt zu tun? Worauf wird besonders geachtet?
Wir bewegen uns mit der SEL in diesem Abschnitt innerhalb von vier Land- und Stadtkreisen. Klingt erstmal nicht so spektakulär, im Hinblick auf Genehmigungen ist das aber manchmal nicht so einfach, denn wir müssen für jeden Land- oder Stadtkreis eine Genehmigung für die Durchführung von Bodenuntersuchungen ab einer Tiefe von zehn Metern einholen.  Darüber hinaus ist interessant, dass wir eine Vielzahl geologischer Schichten durchfahren. Rund um Heidelberg ist die bestehende Infrastruktur deutlich ausgeprägter. Die Leitungstrasse quert dabei Autobahnen, Bundesstraßen, Bahntrassen, teilweise öffentliche Nahverkehrstrassen sowie zahlreiche, bereits bestehende Leitungen.

Wie tief bohren Sie?
Das ist so pauschal nicht zu beantworten. Die Bohrtiefe ist abhängig vom jeweiligen Bauprojekt. Im Regelfall bohren wir ca. fünf Meter ab Geländeoberkante, dort wo die Gasleitung später in einem offenen Graben verlegt werden soll. Dort, wo die Leitung bestehende Infrastrukturen wie Autobahnen oder Gewässer quert und tiefer verlaufen soll, bohren wir dementsprechend tiefer.  Unsere tiefste aktuell geplante Bohrung auf der SEL ist mit ca. 30-35 Meter vorgesehen und soll zur Machbarkeitsprüfung einer Unterführung einer Bundesstraße bei Heidelberg ausgeführt werden.

Wie viele Bohrungen führen Sie jetzt entlang der Trasse durch?
Im Bereich von freien Strecken, also dort wo die Leitung im offenen Graben verlegt werden soll, ist grundsätzlich ein Erkundungsabstand von etwa 200 Metern vorgesehen. Überall dort, wo bestehende Infrastruktur wie Bahngleise oder Straßen gequert werden sollen, erkunden wir zusätzlich auf beiden Seiten des zu querenden Objektes. Somit sind hier die Abstände kleiner. Im Abschnitt von Mannheim bis Hüffenhardt sind es zum Beispiel ca. 400 direkte Bohrungen mit unterschiedlichen Durchmessern.

Wie lang sind Sie mit diesen etwa 400 Baugrunduntersuchungen auf diesem Abschnitt beschäftigt? 
Wir haben unsere erste Erkundungskampagne im Herbst 2022 angefangen und waren im Januar 2023 fertig. Man kann also sagen, dass wir grob vier Monate gebraucht haben. Jetzt sind noch vereinzelte Nacherkundungen offen.

Die verschiedenen Böden sind ja auch historische Erzeugnisse von Millionen von Jahren. Sammeln Sie da auch spannende geschichtliche Erkenntnisse?
Vielleicht muss ich nun enttäuschen: Als ausgebildeter Bauingenieur liegt mein Fokus auf den bautechnischen Anforderungen der Baugrunderkundung. Paläontologische oder archäologische Betrachtungen sind nicht Bestandteil unserer Erkundung. Ich persönlich finde es spannend, dass der Boden kein definierter Werkstoff ist und wir häufig Sachen antreffen, die wir so nicht erwartet hätten.

Was viele Menschen entlang der SEL interessieren könnte: Wann dürfen Sie wo und warum erkunden und bohren? Welche Genehmigungen benötigen Sie? 
Grundsätzlich wird für Bohrungen, die über zehn Meter tief sind und Auswirkungen auf das Grundwasser haben können, eine Anzeige oder Erlaubnis erforderlich.  Das regelt das deutsche Wasserhaushaltsgesetz sowie das Wassergesetz von Baden-Württemberg. Wir haben in diesem Fall für alle Bohrungen gesamtheitlich einen Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis bei den jeweils zuständigen unteren Wasserbehörde gestellt. Je nach Situation braucht es auch eine natur- und artenschutzrechtliche Genehmigung.

Sie haben jetzt gesagt, Sie brauchen eine Genehmigung ab einer gewissen Tiefe, aber können Sie oberhalb der zehn Meter einfach aufs Feld gehen und bohren?
Rein behördlich ist das tatsächlich möglich, sofern von den Bohrungen keine Auswirkung auf das Grundwasser zu erwarten ist. Wenn wir uns auf privaten Flächen befinden, werden die betroffenen Eigentümer:innen von terranets bw oder dem beauftragten Planungsbüro angeschrieben und informiert, wo Bohrungen durchgeführt werden sollen.

Stehen Sie auch im direkten persönlichen Austausch mit Eigentümer:innen oder Bewirtschafter:innen?
Das ist ein Punkt, der mir sehr wichtig ist! Wir stehen häufig mit den Eigentümer:innen in Kontakt, spätestens wenn das Bohrgerät anrückt. Deswegen ist es sehr wichtig, dass im Vorfeld transparent kommuniziert wird, wer wir sind, was untersucht wird und zu welchem Zweck wir die Untersuchungen machen. Wenn man den Bohrungen uninformiert begegnet, ist ein gewisser Unmut nachvollziehbar.

Sie nutzen also durchaus „schweres Gerät“. 
Das kann man sagen. Wenn man damit am Rand vom Fahrradweg steht, dann wird man in aller Regel ziemlich schnell angesprochen.

Angenommen Sie stehen mit den schweren Gerätschaften auf der Fläche, die Probe wurde entnommen, jedoch wurde das Flurstück beschädigt. Was passiert? 
Schon bevor wir mit der Erkundung beginnen, machen wir vor Ort eine Beweissicherung. Das heißt, wir nehmen den Ist-Zustand fotografisch auf, vom betroffenen Bohrpunkt werden Fotos gemacht. Dann wird die Erkundung gemacht und im Nachgang wird nochmal fotografiert und der Flurschaden festgehalten. Diese Dokumentation dient dann hinterher der Flurschadensregulierung, welche direkt über terranets bw bzw. den beauftragten Planer abgewickelt wird. Da gibt es dann Regelsätze und Richtlinien, auf deren Grundlage die Eigentümer:innen entschädigt werden.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Eigentümer:innen?
Unsere Leute, die draußen die Bohrungen durchführen, wissen oft gar nicht um das große Ganze, etwa wem das Flurstück gehört. Deswegen ist es mir immer sehr wichtig, dass die Eigentümer:innen informiert sind, dass Erkundungsarbeiten durchgeführt werden und im besten Fall auch eine aktive Zustimmung erfolgt. Wir hatten in der Vergangenheit schon Fälle, wo das nicht der Fall war und dann kann ich verstehen, wenn man erstmal aufgebracht ist, wenn da jemand mit großen Geräten auf dem Grundstück steht und ganz offensichtlich auch einen Schaden verursacht. Teilweise hapert es dabei auch an der Weitergabe der Informationen zwischen Eigentümer:in und Bewirtschafter:in der Flächen. Aber meist können wir beruhigen, indem wir über die Dokumentation und die Flurschadensregulierung aufklären. Grundsätzlich finde ich es sehr schön, wenn Menschen interessiert sind und nachfragen. Die klassische Frage ist: „Nach was bohrt ihr? Nach Öl oder nach Gold?“ (lacht).

Und haben Sie schon mal Öl oder Gold gefunden?
Das können wir verneinen. (lacht). Wenn wir Öl finden, ist es in aller Regel kein natürliches Vorkommen, sondern durch den Menschen verursacht und das ist dann in der Regel weniger positiv.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wiech!

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